„Erlebnis Berg: Zeit zum Atmen“

Alpine Lesung mit Hans Sterr

11.12.23, mit Hans Sterr – Reinhard Karl war der erste Deutsche auf dem Mount Everest und einer der beiden Erstbegeher der „Pumprisse“, der ersten Kletterroute im 7. Schwierigkeitsgrad in den Alpen. Seine Einzigartigkeit verdankt er seiner charismatischen Erscheinung, den aussdrucksstarken Bildern, die er als Fotograf festhielt und den offenen, tiefgründigen und spannenden Texten seiner Bücher.

Hans Sterr las dazu Auszüge aus Reinhard Karls Buch „Erlebnis Berg: Zeit zum Atmen“, das seinen Werdegang als Alpinist beschreibt.

Zeit zum Atmen nahmen sich Hans und Petra Angermair, Julia Gärtner, Michael Grötsch, Hermann Schießl, Harald Schramek, Sonja Schupsky und Antje Wenzel.

Um zwei Uhr nachts bewegte ich mich mehr wie ein Schlafwandler auf dem Gletscher zu irgendeiner Nordwand. Beim ersten Lichtstrahl war dann alle Müdigkeit vergessen. Das Morgenrot und das noch dunkle Blau der Nacht wurden von dem starken Gelb der Morgensonne zerrissen. Aller Kleinmut war abgelegt, mit Steigeisen und Pickel legen wir eine 1.000 Meter hohe Spur in den bis dahin nur von Wind und Eis berührten Schnee. 1.000 Meter sind etwa 4.000 steile Schritte, 50.000 Herzschläge und vielleicht die Hälfte Atemzüge. Bald stellte ich fest, dass anscheinend nicht die ganzen 1.000 Meter wichtig sind. Eigentlich ist alles nur ein Sehnen auf die letzten Meter.
Dann sieht man schon den Gipfel, du weißt, du bist gleich oben, erstaunlich leicht fällt jetzt das Atmen. Das Kopfweh, das sich gewöhnlich bei mir in der Höhe einstellt, ist verschwunden. Diese letzten Schritte, ja, die tun richtig gut. Und dann oben: Zeit zum Atmen. Zeit zum Sehen. Zeit zum Staunen.
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