Zwischen Gletscherhatscher und Gipfel
Dienstag, 4.8 bis Samstag, 8.8.2020
Durch das Corona-Virus mussten schon geplante Touren im Frühjahr abgesagt werden. Der Tatendrang der HTGler blieb aber ungebrochen und so wurde die Idee einer Hochtour in der Schweiz mit relativ moderaten Corona-Beschränkungen auf den Hütten laut. Eines der näheren Ziele sind die Berner Alpen. Schlechtwetter verzögerte die Abfahrt auf Dienstag, den 4. August früh am Morgen. Ohne Probleme erreichten wir die Grimselpasshöhe, von der die Mautstraße zum Oberaar Berghaus abzweigt. Zur Überraschung war diese teilweise Schnee- und Matsch-bedeckt. Aber kein Problem, manchmal ist es von Vorteil, die Winterreifen erst sehr spät zu wechseln.
Vom Parkplatz am Oberaar-Stausee ging es bei wolkigem Himmel am Nordufer entlang bis zum Oberaargletscher, dessen Spalten auch mit Neuschnee bedeckt waren und wir uns angeseilt mit voller Gletscherausrüstung die gut 1000 Höhenmeter vorsichtig nach oben zum Oberaarjoch bewegten.
Zur Oberaarjochhütte (3200 m ü.NN.), an der wir nach knapp 5 Stunden ankamen, führte dann noch ein Seil-versicherter Steig.
Die Wirtin wartete schon mit dem Spaghetti-Abendessen auf uns und dann fielen wir müde in die Lager.
Am frühen Morgen des nächsten Tages empfing uns nach dem Frühstück ein strahlend blauer Himmel, so dass wir gleich den Hausberg, das Oberaarhorn (3631 m ü.N.N) in kombiniertem Gelände über den Südgrat erstiegen.
Nach einer kurzen Pause an der Hütte, machten wir uns an den Abstieg auf dem Gamligletscher, der uns bei Neuschnee mit vielen kleinen Einbrüchen in Spalten allen Respekt einflößte. Eigentlich wollten wir im „Vorbeigehen“ über einen Felsgrat das Galmihorn besteigen, brachen aber nach einer Stunde Anstieg ab, da uns noch ein weiter Weg zur Finsteraarhornhütte bevorstand.
Nach einer Brotzeit stiegen wir weiter auf dem Galmigletscher ab und erreichten in einem weiten Bogen den Fieschergletscher am Punkt 2700 m ü.N.N.. Die Sonne brannte unbarmherzig vom Himmel und wir mussten uns den Weg durch ein Spaltenlabyrinth auf dem Fieschergletscher nach oben suchen. Die Fläche und der Weg erschienen endlos.
Nach ca. 3 Stunden war die Finsteraarhornhütte zu sehen, allerdings deprimierend hoch über dem Gletscherrand (gut 100 Höhenmeter). Wir erreichten sie ziemlich durstig und ausgelaugt gegen fünf Uhr.
Nach dem Bezug des Lagers (wir fünf in einem 10er Lager) und einer ersten Flüssigkeitsaufnahme gab es zum Abendessen – Überraschung – wieder Spaghetti. Aber Hunger ist der beste Koch. Abgesehen von ein paar Desinfektionsmittelspendern erschien uns die etwas geringere Belegung die einzige Corona-Gegenmaßnahme.
Nachdem die Lust auf Gletscherhatscher zu den Fiescherhörnern (10 km hin und zurück) nicht mehr so groß war, einigten wir uns auf eine kürzere Tour auf das Agassizhorn. Erleichternd war, dass eine andere Gruppe schon eine Spur in den frischen Schnee bis zum Agassizjoch gelegt hatte.
Also starteten wir am Donnerstag etwas später kurz vor 6 Uhr, erst hinunter auf den Fieschergletscher und dann flach nach oben in nördlicher Richtung. Nach einer Stunde bogen wir nach Osten ab und gelangten über teils steile Gletscher vorbei an Séracs und Firnflächen zum Agassizjoch (3749 m ü.N.N.).
Nach etwas Zögern stiegen wir in den teils Schnee-bedeckten Grat mit recht lockerem Gestein ein und erreichten nach gut eineinhalb Stunden den Gipfel (3946 m ü.N.N.).
Belohnt wurde die Anstrengung mit einem herrlichen Ausblick in alle Richtungen mit dem Eiger auf Augenhöhe.
Der Abstieg über das steile Schnee- und Firnfeld schien verlockend, war uns aber wegen dem durchfeuchteten Aufbau zu riskant – also über den Grat zurück zum Joch.
Mit den hohen Temperaturen waren beim Abstieg die Schneebrücken über die Spalten schon ziemlich aufgeweicht, so dass wir froh waren, als wir wieder festes Eis unter den Steigeisen hatten.
Zum Schluss kostete der Hüttenanstieg nochmals eine extra Portion Motivation. Gegen halb fünf gab es dann den wohlverdienten Kaffee mit Schweizer Nusskuchen. Beim Abendessen fiel auf, dass bei einer Vierergruppe aus dem Chiemgau, die an dem Tag zum Finsteraarhorn unterwegs waren, eine Bergsteigerin fehlte. Ein losgetretener Stein hatte sie beim Aufstieg am Schienbein getroffen und sie musste mit offener Wunde per Heli ins Tal geflogen werden.
Da mehrere Gruppen den Aufstieg zum Finsteraarhorn am Freitag planten, beschlossen wir, eine halbe Stunde später zu frühstücken und dann erst zu starten. Die ersten Meter führten im Dunkeln mit Stirnlampe einen Pfad hinter der Hütte empor bis wir im Morgengrauen einen flachen Felsrücken erreichten. Nach diesem ging es mit Steigeisen einen steilen, größtenteils aperen Gletscher hoch bis zu einem felsigen Steig, der uns auf die Nordseite eines queren Felsriegels führte, dem sogenannten Frühstücksplatz (3616 m ü.NN.).
Nach einer mitunter heiklen Querung der Randspalte des Gletschers geht es am Seil gut 400 Höhenmeter hinauf zum Hugi Sattel (4088 ü.N.N.), dem Ausgangspunkt für die letzten 200 Höhenmeter Kletterei am Grat.
Bei guten Bedingungen beschlossen wir ohne Seil zu klettern, obwohl es schon einige sehr luftige Stellen zu überwinden gilt.
Glücklich erreichten wir gegen halb elf den Gifpel (4274 m ü.N.N.), mit einem fantastischen Panorama vom Monte Rosa übers Matterhorn bis zum Eiger.
Nach knapp einer ausgiebigen Brotzeit und Gipfelgenuss machten wir uns ans Abklettern zum Joch und dann in sehr weichem Firn hinunter zum Gletscher, der im Abstieg auch besondere Vorsicht erforderte.
Gegen 16 Uhr erreichten wir wohlbehalten die Finsteraarhornhütte. Kaffee und Kuchen mit anschließender Siesta waren wohl verdient. Bald legten wir uns nach dem Abendessen schlafen, da am nächsten Tag noch ein anstrengender Abstieg bevor stand.
Gestärkt vom Frühstück ging es in der Dämmerung mit dem Abstieg zum Fieschergletscher los.
Durch das bekannte, endlose Spalten-Wirrwarr erreichten wir nach ca. 2 Stunden den Galmigletscher, von dem es jetzt wieder 500 m hoch zum Oberaarjoch ging (bis hier gut 9 km Gehstrecke in knapp 4 Stunden).
Ab jetzt brannte die Sonne erbarmungslos auf uns nieder und hatte den Firn schon mächtig aufgeweicht.
Ein riesiges Gletschertor markierte das Ende des Gletscherhatschers, aber noch waren eineinhalb Stunden entlang des Oberaarstausees bis zum Auto zu marschieren (vom Joch wieder gut 9 km in ca. 3 Stunden).
Bis die Ampel grünes Licht für die Abfahrt gab, genossen wir noch eine letzte Brotzeit auf dem Parkplatz und erforschten die Blasensituation an den Füßen.
Ein sehr reger Verkehr mit vielen Motorrädern und Autos erwartete uns am Grimselpass und Furka. Von dort hatten wir nochmals einen phantastischen Blick auf die drei erklommenen Gipfel in einer Reihe.
In Dornbirn liessen wir bei einem gemütlichen Abendessen die vielen Eindrücke nochmals auf uns wirken, bevor es dann endgültig Richtung Erding ging.
Teilnehmer: Yann Brillouet, Michael Kreuz, Rainer Preis, Christian Reischl und Rudi Riepl (Tourenbericht)