Erfolge im Allgäu-Cup

Kraftkranzler mit Top-Platzierungen

02.12.23 – Es gibt Kletterwettkämpfe. Und es gibt den Allgäu-Cup der Sektion Kempten. Nicht weniger als hundertzehn Startplätze haben die Veranstalter heuer ausgeschrieben, und nach nur fünf Tagen waren alle vergeben. Denn wer einmal mitgemacht hat bei diesem anspruchsvollen Lead-Wettkampf, der kommt immer wieder. Manche Sektionen wie der DAV Ulm fahren sogar mit mehr als fünfzehn Startern in der Jugendwertung nach Kempten – da ist die komplette Leistungssport-Abteilung am Start. Warum der Allgäu-Cup so viele ambitionierte Wettkampfkletterer anzieht – dazu später mehr.

Die erste Prüfung in einem Kletterwettkampf ist unter normalen Umständen die erste Qualifikations-Route. Vorher: Laufzettel abholen, Quali-Routen anschauen, ausführliches Aufwärmen, Einweisung durch die Schiedsrichter, dann Konzentration – und los.

Beim Allgäuer Kletter-Cup 2023 war die erste und vielleicht auch die schwerste Prüfung dagegen die Anreise. Ausgerechnet am Rekord-Winter-Wochenende stand für die vier Kraftkranzler Markus Bauer, Severin Lex, Christoph Thees und Nikola Wörz der letzte Wettkampf des Jahres auf dem Programm.

Team Erding

Nach Kempten dauert es normalerweise zwei Stunden mit dem Auto. Dieses Mal: vier. Als die Erdinger ankamen, war die Einweisung schon gelaufen, zum Aufwärmen blieb keine Zeit, stattdessen: ankommen, einbinden, starten. Trotz der widrigen Umstände kamen alle vier gut in den Wettkampf und kletterten die erste Qualiroute im Schwierigkeitsgrad 7 top. Die Schwierigkeiten der anderen fünf Qualifikationsrouten lagen im Bereich 8- bis 9+. Da warteten also noch ein paar echte Brocken.

Für Markus war nach einem schmerzhaften Sturz in der zweiten Route der Wettkampf frühzeitig vorbei. Zum Glück nichts Ernstes, aber durchaus ein Schreckmoment auch für Freundin Verena, die sich mit auf die schneereiche Odyssee begeben hatte. „A bissl zwickt‘s scho im Kreuz“, meinte Markus, der unglücklich von einem Tritt abgerutscht war.

Markus Bauer in der 8- Route der Herren-Qualifikation U40

Schade, denn bis dahin war der Erdinger Newcomer beeindruckend unterwegs. Vor allem technisch konnte Markus gleich bei seinem ersten Lead-Wettbewerb sein Riesenpotenzial zeigen. Als Neueinsteiger im Klettern gilt es für ihn jetzt vor allem, erste Wettkampferfahrungen zu sammeln – und beim nächsten Mal noch mehr von seinem großen Talent an die Wand zu bringen.

Kraftkranzl-Fachsimpeleien: Markus Bauer und Nikola Wörz

Severin Lex hat Wettkampferfahrung schon als Triathlet gesammelt und zeigte in Kempten bei seinem dritten Kletterwettkampf nach Erding im Sommer und Nürnberg im Herbst eine weiter ansteigende Formkurve. Beeindruckend vor allem seine Leistung in der schwersten Qualifikationsroute 9+, wo er die erste Schlüsselstelle souverän meisterte, und damit wertvolle Punkte sammeln konnte.

Severin in der ersten Crux der 9+ Route

Eine besondere Prüfung hatten sich die Routenbauer für die 8+ der Herren-Wertung ausgedacht, wo nach einer ausdauerintensiven Dachpassage acht Meter mit technisch anspruchsvollen Boulderzügen in überhängender Wand zu meistern waren. Man könnte auch sagen: Erst gibt’s dicke Arme, und dann wird’s schwer. Severin kämpfte sich hier bis kurz vor dem Ende der harten Passage und konnte damit ein früheres Aus in der in der zweitschwersten Qualifikationsroute, einer anhaltenden 9- an Leisten und Kanten, gut ausgleichen. Am Ende belegte er mit dem 26. Platz eine Position im guten Mittelfeld.

Ansteigende Formkurve: Severin Lex

Das ist besonders bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass Severin und Markus in der stärksten Altersklasse U40 antreten mussten, in der Topkletterer mit Wettkampfteilnahmen bei der deutschen Meisterschaft und auf internationalen Leadcups dabei waren!

Gemessen daran war das Teilnehmerfeld in der Altersklasse Ü55 überschaubarer. Anders als in der „Königsklasse“ der Herren bis 40 Jahren gibt es hier keine Konkurrenten mehr, die aktiv in den Landes- und Nationalkadern trainieren. Trotzdem: Ambitioniert geht es auch bei den „Silberrücken“ zu, wie die Ü55-Herren in Kempten genannt werden. Christophs erklärtes Ziel war der Sieg in dieser Altersklasse. Und tatsächlich gelang es dem Erdinger Leistungssporttrainer zunächst, mit dem besten Qualifikationsergebnis aller Teilnehmer seiner Altersklasse das Finale anzuführen. Vor allem in der härtesten Qualifikationsroute kam Christoph weiter als seine Konkurrenten.

Festhalten! Christoph in der Qualifikations-9+

Am Ende musste er sich im Finale dennoch dem Zweitplatzierten der Vorrunde geschlagen geben, der in der alles entscheidenden letzten Route an einer Sloper-Crux die Nerven behielt und beim verdienten Sieg von seiner großen Erfahrung profitieren konnte: Von bisher 32 Allgäu-Cups in Kempten hat er dreißig mitgemacht.

Altherren-Runde: Das Podium der Ü55-Wertung

Platz zwei also für das Alpenkranzl Erding in dieser Kategorie, und Platz zwei auch für Nikola Wörz in der Damen-Ü40-Wertung. Letztes Jahr noch ganz oben auf dem Siegerpodest, erkämpfte sich die Erdinger Chef-Routenbauerin mit einer konstanten Leistung in der Qualifikation auch heuer wieder einen Platz im Finale – vor allem dank starkem Fight in der 9+ der Vorrunde, wo es aufgrund der hohen Schwierigkeit besonders viele Punkte für jeden erreichten Griff gab.

Wer ins Finale will, muss in der Qualifikation möglichst viele Punkte sammeln: Nikola in der 9-

Im Finale vor großem Publikum und im Scheinwerferlicht wartete auf Nikola eine herausfordernde Route mit stark überhängendem Start und anschließender Passage mit athletischen Zügen, die sie betont dynamisch anging. Der zweite Platz war am Ende hochverdient – und Nikola zufrieden mit ihrem Ergebnis bei ihrem letzten Wettkampf 2023.

Kraftkranzl-Trainerin Nikola Wörz in der athletischen Damenfinalroute

Am Ende konnte Team Erding über mittlerweile geräumte Straßen zufrieden heimfahren.

Besonders beeindruckt waren die vier Kraftkranzler von der perfekten Organisation in Kempten. Die dortige DAV-Sektion bietet mit dem Allgäu-Cup ein echtes Wettkampfhighlight zum Saisonabschluss, mit hochkarätigem Teilnehmerfeld und außergewöhnlicher Atmosphäre.

Full House: Beim Finale bleibt kein Zuschauerplatz leer

Zahlreiche Mitwirkende sorgen dabei ehrenamtlich für einen gut geölten Wettkampfbetrieb. Schon Tage vorher schraubt das Team um Chefroutenbauer Christoph Gabrysch mit zwei Hubsteigern ganze Wandbereiche komplett frei, um dann mit Hilfe von eigens engagierten Routensetzern abwechslungsreiche und spannende Herausforderungen an die Wand zu bringen.

Routensetzer Christoph Gabrysch legt noch mal Hand ans Herrenfinale

Ein eigens für den Wettkampf eingesetztes Sicherungsteam übernimmt die Sicherung im Finale. Da wird in jeder Situation auf höchstem Niveau weich und zuverlässig gesichert, während parallel ein zweites Team schon den nächsten Athleten hinter den Kulissen startklar macht.

Hatten alles im Griff: Das Sicherungsteam nach getaner Arbeit

Die Ergebnisse, die von den Schiedsrichtern im Laufzettel vermerkt werden, werden blitzschnell von einem Wertungsteam in ständig aktualisierte Zwischen- und Endergebnisse übertragen und sofort auf einem großen Bildschirm in der Halle aktualisiert.

Arbeit im Hintergrund: Das Auswertungsteam aktualisiert ständig die Ergebnislisten

Mit Matthias Keller am Mikrofon führt zudem ein erfahrener Kadertrainer und Kommunikationsprofi, der schon viele nationale und internationale Wettkämpfe moderiert hat, durch diese besondere Veranstaltung.

Moderator und Organisator Matthias Keller

Mit all diesen erfahrenen Leuten hat der Allgäu-Cup eine herausragende Stellung im bayerischen Wettkampfklettern. Kein Wunder also, dass er Leistungssportler der Sektionsebene genauso anzieht wie Top-Athleten aus den Landeskadern von Bayern und Baden-Württemberg und die Nachwuchs-Talente aus den Leistungsgruppen der regionalen Sektionen.

Und Team Erding ist nächstes Jahr auch wieder dabei!

Fotos:
Markus Kroha & Andreas Schneider/Kroha Fotografie
Christoph Thees (auch Bericht)

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