Gegen das Beinezittern: Michael Kienastl war mit Kletterschülern im DAV Kletterzentrum Freising.
13. Januar 2019 – Die Beine zittern und man ist froh, so hoch gekommen zu sein – 14 Meter im fünften Schwierigkeitsgrad. Mit dem Blick nach unten stellt sich erstmals ein Gefühl ein, das auf dem Weg nach oben weniger spürbar war – die Angst vor dem Sturz in die Tiefe. Und einen Meter über der zuletzt geklippten Exe soll ich jetzt springen? Ja, denn genau das hilft, Sturz- und Höhenangst mittelfristig in den Griff zu bekommen. Das ist einer, doch bei weitem nicht der einzige Teil des Vorstiegskurses.
Genau einen Tag vor der wegweisenden und demokratisch getroffenen Entscheidung des Alpenkranzls, ein Vereinsgelände inklusive Kletterturm zu errichten, trafen sich um 10 Uhr an der Freisinger Kletterhalle 10 Kranzler, die lernen wollten, was man so wissen muss, um unter anderem an so einem Kletterturm zu kraxeln. Alle haben im Vorfeld bereits einen Topropekurs – also das Klettern mit bereits hängendem Seil – absolviert und schon erste Klettermeter gesammelt. Vorsteigen: Das bedeutet sowohl für Sicherer, als auch für Kletterer mehr Aufgaben – aber eben auch mehr Möglichkeiten, da man mehr Routen klettern und sich auch für das Klettern am Naturfels vorbereiten kann.
Nach einem kletterspezifischen Aufwärmen – Kreislauf, Mobilisierung der Gelenke und Andehnen der Muskulatur ging es dann auch schon los. Zuerst wurden unter Berücksichtigung des Gewichtsunterschiedes (der Kletterer sollte im Vorstieg maximal das 1,2-fache des Sichernden wiegen) Seilschaften gebildet. Diese Seilschaften übten nun zunächst das Klippen/Einhängen der ersten Expressschlinge (Exe) und mussten gleich feststellen, dass es gar nicht so einfach ist, zum Einen so stabil zu stehen, dass man die Hand, die man zum Klippen benötigt von der Wand nimmt und zum Anderen, dass das Einhängen der Exe selbst einiges an Übung erfordert. Im Anschluss wurde noch ein neuer Anseilknoten, der doppelte Bullin, geübt. Dieser hat gegenüber dem bereits Erlernten doppelten Achterknoten den Vorteil, dass er sich im Falle des Sturzes nicht festzieht.
Weiter ging es mit dem Vorstiegssichern. Während beim Topropeklettern der Sichernde nur Seil einholt und die Bewegung recht monoton ist, muss er im Vorstieg sowohl Seil einholen, als auch ausgeben. Nachdem dies jeder mehrmals geübt hatte durfte jede Seilschaft nacheinander unter Beobachtung der anderen Teilnehmer und des Trainers die ersten Meter im Vorstieg klettern. Das hat so gut funktioniert, dass sich die Seilschaften schließlich, nach einer halbstündigen Pause bei Kaffee, Brezen und Flammkuchen, über die gesamte Halle verteilten und selbstständig weiterkletterten. Die Bewegungen gingen bald in Fleisch und Blut über – Routine ist sowohl für Kletterer als auch für Sicherer gerade am Anfang enorm wichtig.
Schlussendlich folgte das bereits erwähnte Sturztraining, das manche anfänglich vor Probleme stellte. Sturzangst ist im Klettern aber wohl der wichtigste Faktor, der einen davon abhält, Fortschritte zu machen. Vertrauen in die Sicherungskette und Vertrauen in den Kletterpartner sind enorm wichtig. Um beides zu gewinnen, sprangen die Kletterer auf einer Höhe zwischen zehn und 14 Meter mehrmals ins Seil – angefangen von wenigen Zentimetern bis hin zu mehreren Metern freiem Fall. Wer vorher ein eher mulmiges Gefühlt hatte, merkte nun, dass Stürzen auch Spaß machen kann. Zum Ende des Kurses um 17 Uhr wurden die Kletterscheine verteilt – alle hatten bestanden. Mit dem erfolgreich absolvierten Kurs haben sie nun die Voraussetzungen, in jeder Halle alle Routen zu klettern – vorausgesetzt Finger und Unterarme machen mit.
Dabei waren: Annemone Boden, Matthias Boden, Ansgar Bodenberger, Charlotte Bodenberger, Laura Bergner, Katja Bröckl-Bergner, Vinzenz Drahm, Louisa Handorf, Michael Kienastl (Trainer und Bericht), Severin Lex, Vincent Lex